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Zölle: Wie Freihandel Wohlstand schafft – Der Flossbach von Storch Podcast

Mit seiner Zollpolitik sorgt Donald Trump für Schlagzeilen. Doch eine Studie zeigt, dass die Welt schon seit einiger Zeit tief im Sumpf des Protektionismus steckt.

Jeder im Mainstream ausgebildete Volkswirt schätzt den grenzüberschreitenden Freihandel. Denn seit Adam Smith sind die Vorzüge der Arbeitsteilung und seit David Ricardo die Vorteile der Spezialisierung im internationalen Warenhandel bekannt.

Durch Protektionismus oder die Einschränkung des Freihandels gehen die Wohlfahrtsgewinne des länderübergreifenden Freihandels verloren. Kein Wunder also, dass die Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump von den Mainstream-Ökonomen unisono verdammt wird.

Die Predigten der Ökonomen lassen Trump kalt. Vor seiner Wahl sagte er: „Für mich ist das schönste Wort im Wörterbuch der ‚Zoll‘, und es ist mein Lieblingswort.“ Und frisch gewählt präsentierte er Anfang April eine bizarre Liste „reziproker“ Zölle mit Sätzen bis zu 50 Prozent.

Glücklicherweise erwies sich die Zolltafel bisher vor allem als Theaterdonner. Statt eins zu eins umgesetzt zu werden, eröffnete sie nur den Einstieg in Verhandlungen. Die tatsächlichen Zölle fielen im Schnitt niedriger aus als die „reziproken“, aber immer noch höher als die früheren. Trotz Trumps Teilrückzug bleibt die grundsätzliche Frage, wie Handelspartner der USA bestmöglich reagieren; insbesondere die Europäische Union.

Aus Ökonomensicht könnte der Verzicht auf Gegenmaßnahmen den Wohlstand für die Europäer sogar erhöhen. Das zeigen Lehre und Geschichte. Doch wieso schafft Freihandel Wohlstand, während Protektionismus negativ wirkt?

David Ricardo veröffentlichte 1817 sein Hauptwerk. In seinem berühmten Beispiel zu den Vorzügen des Freihandels spezialisiert sich England auf die Herstellung von Tuch und Portugal auf die Herstellung von Wein. Dadurch, dass jedes Land macht, was es am besten kann, steigt die Produktionsmenge beider Güter insgesamt.

Und so können die Engländer mehr importierten Wein und die Portugiesen mehr importiertes Tuch konsumieren als ohne Freihandel. Würde nun Portugal Zölle auf Tuchimporte einführen, ginge die portugiesische Nachfrage nach Importtuch zurück. Dann hätte England weniger Einnahmen und könnte sich weniger portugiesischen Wein leisten. Und in beiden Ländern würde der Wohlstand fallen. Würde England zur Vergeltung auch noch Zölle auf Importwein erheben, dann ginge der englische Konsum von portugiesischem Wein noch weiter zurück, und die Portugiesen würden noch weniger Importtuch kaufen. Der Wohlstandsverlust würde sich verstärken.

Um aus dieser Abwärtsspirale auszubrechen, könnten englische Textilproduzenten ihre Exportpreise senken, was die Wirkung der Zölle neutralisieren könnte, sodass das Handelsvolumen etwa gleich hoch bliebe. Der portugiesische Staat würde zwar Zolleinnahmen erhalten und auf kurze Sicht der Gewinner sein.

Würde die Preissenkung jedoch von einer Produktivitätssteigerung begleitet, würden die Engländer gewinnen. Denn auch für die einheimischen Konsumenten würde Tuch billiger. Nachfrage und Produktion würden also steigen, und die zusätzlichen Steuereinnahmen des englischen Staats könnten die Zolleinnahmen des portugiesischen Staats letztlich übertreffen. Verlierer wären die portugiesischen Verbraucher, die höhere Preise für Tuch bezahlen müssten. Keine Gegenmaßnahmen auf Zölle, so würde daher wohl der Rat von David Ricardo Lauten.

Wie sehr hohe Zölle eine Volkswirtschaft negativ beeinflussen können, zeigt auch die Geschichte. So sollten im Juni 1930 die US-Einfuhrzölle um 20 Prozent erhöht werden. 1.000 Wirtschaftswissenschaftler unterzeichneten damals einen Brief an den amtierenden US-Präsidenten Herbert Hoover, um ihn zu einem Veto zu bewegen, nachdem die Vorlage im zweiten Anlauf das Repräsentantenhaus passiert hatte. Eine beispiellose Aktion!

Dieser starke Widerstand entsprang damals nicht nur theoretischen Überzeugungen. Seit September 1922 war in den USA bereits das nach den beiden Hauptarchitekten benannte Fordney-McCumber-Zollgesetz in Kraft und die Importzölle auf ausgewählte Güter beliefen sich bereits fünf Jahre später auf durchschnittlich 38,5 Prozent.

Bedeutende europäische Ökonomien hatten bereits Gegenzölle verhängt, beispielsweise auf Autos, die Teile der US-Industrie hart trafen. Mit dem Zollgesetz sollten ab 1930 nochmal 20 Prozent auf insgesamt 20.000 Produkte erhoben werden.

Nach der Unterzeichnung kam es, wie es die Ökonomen ihrem Präsidenten vorausgesagt hatten: Das neue Gesetz löste Vergeltungsmaßnahmen aus, der Welthandel brach ein, inländische Verbraucher wurden durch steigende Preise geschädigt und der wirtschaftliche Abschwung verschärft. Letzterer mündete in die Große Depression. Auch die Geschichte warnt also vor Wohlstandsverlusten bei Zollerhöhungen.

Und so, wie sich eine äußerst restriktive Außenhandelspolitik bereits ab 1922 in den USA ihren Weg gebahnt hatte, so war die Welle des Protektionismus auch schon weit fortgeschritten, als Trump am „Liberation Day“, dem „Tag der Befreiung“, im vergangenen April seine Zolltafeln hochhielt.

Erhebungen von Global Trade Alert, kurz GTA, – einer umfassenden Datenbank, in der detaillierte Informationen über verschiedene Formen staatlicher Eingriffe gesammelt werden, die sich auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Ländern auswirken –, zeigen: Die aktuelle Welle begann kurz nach der großen Finanzkrise. Eine erste spürbare Beschleunigung der Maßnahmen, die darauf abzielen, Handelskonkurrenten zu schädigen, trat jedoch vor allem in jüngerer Zeit ein, nämlich mit der ersten Präsidentschaft von Donald Trump in den Jahren von 2017 bis 2021.

Dabei hat sich jedoch die Art des Protektionismus – in Bezug auf die ergriffenen Maßnahmen – verändert. Während Trumps erklärte Vorliebe für Zölle anhält, wenden sich sowohl die USA als auch andere wichtige globale Akteure zunehmend alternativen Formen staatlicher Interventionen zu, die ausländischen Handelsinteressen schaden sollen.

Abseits der klassischen Standardinstrumente Zölle und Kontingente hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein neuer Protektionismus herausgebildet, der eine lange Liste von Hindernissen für freie internationale Transaktionen umfasst, die weniger offensichtlich sind und mehr dem Ermessen der ausländischen Vertragspartner unterliegen.

Diese Hindernisse sind politisch leichter zu vertreten und umzusetzen. Die Datenbank der GTA listet insgesamt 57 Varianten von protektionistischen Maßnahmen auf, die in neun Kategorien unterschieden werden. Die erfassten Interventionen reichen von nationalen Gesetzgebungsakten bis hin zu Vertragsbedingungen einzelner staatlicher Stellen.

Jeder Datenbankeintrag enthält Informationen über die Richtung der Änderung, also ob schädlich für den Handel oder liberalisierend, das angekündigte politische Instrument, die von der Erklärung betroffenen Sektoren und die potenziell betroffenen Handelspartner.

Basierend auf den GTA-Daten, waren die meisten staatlichen Eingriffe seit 2009 diskriminierend. Und unter den schädlichen Interventionen waren 2009 Importzölle, Handelsfinanzierung und staatliche Darlehen die am häufigsten eingesetzten Maßnahmen.

Obwohl sie weiterhin in der Liste der bevorzugten Interventionen weit vorn rangieren, haben finanzielle Zuschüsse und öffentliche Aufträge bis Ende 2023 deutlich an Beliebtheit gewonnen. Es ist wichtig anzumerken, dass die GTA-Datenbank staatliche Eingriffe wahrscheinlich sogar unterschätzt, insbesondere in Fällen, in denen der Protektionismus in Vorschriften, Subventionen oder Steuerpolitiken eingebettet ist, die nicht ausdrücklich unter handelsbezogene Politiken fallen.

Dies scheint zum Beispiel bei Umweltvorschriften der Fall zu sein, die in der EU häufig erlassen werden, oder bei fiskalischen Anreizen mit Anforderungen an den Inlandsanteil, wie dem Inflation Reduction Act in den USA. Diese Maßnahmen lassen sich schwerer als Handelsinterventionen einstufen.

Dennoch waren Ende 2023 die USA und China nach den GTA-Daten weltweit führend bei der Umsetzung protektionistischer Maßnahmen. Insbesondere der von der ersten Trump-Administration angezettelte Handelskrieg mit China führte dabei zu einer erheblichen Verschärfung der schädlichen handelspolitischen Interventionen beider Länder im Vergleich zum Rest der Welt.

Mit dem Krieg in der Ukraine wurde auch Russland zu einem leidenschaftlichen Emittenten von Maßnahmen, die Handelspartnern schaden. Die vier größten EU-Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, die den sogenannten EU-4-Durchschnitt bilden, haben ebenfalls verstärkt schädigende Maßnahmen ergriffen.

Das Niveau lag hier aber noch deutlich unter dem von China und den USA. Wenn man nun die Anzahl der schädlichen Eingriffe betrachtet, von denen die jeweiligen Volkswirtschaften betroffen waren, zeigt sich ein ähnliches Niveau bei den großen Global Playern, auch wenn sie, wie der EU-4-Durchschnitt selbst deutlich weniger Maßnahmen im Sinne der GTA-Maßgabe durchführte.

Zuletzt zeigt der Vergleich zwischen den selbst durchgeführten schädlichen Eingriffen der Länder und der Anzahl der Maßnahmen, die von Dritten eingeführt und gegen die Volkswirtschaft wirken, vor allem eine positive Bilanz in den USA, China und Russland. Bei den EU-4 ist das Ergebnis ebenfalls positiv. Es wurden also mehr Eingriffe selbst durchgeführt als Maßnahmen verhängt, von denen die jeweilige Volkswirtschaft betroffen war.

Im Vereinigten Königreich drehte die Bilanz nach dem Brexit ins Negative. Auch in Japan blieb sie fast immer negativ.

Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Welle des Protektionismus zu einem Negativsummenspiel eskaliert, ist also hoch und steigt mit der zunehmenden Intensität schädlicher staatlicher Eingriffe weltweit. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump rollt eine weitere Welle neuer US-Zölle auf die US-Handelspartner zu.

Dabei hat die Erfahrung der Vergangenheit gezeigt, dass die negativen Auswirkungen des Protektionismus über die Zölle hinausgehen dürften, da nicht tarifäre Maßnahmen an Bedeutung gewinnen und ein breites Spektrum schädlicher Maßnahmen umfassen.

Diese Maßnahmen verlagern Ressourcen auf leistungsschwächere inländische Industrien. So oder so müssen alle beteiligten Parteien letztendlich mit wirtschaftlichen Verlusten rechnen, die höchstwahrscheinlich ungleichmäßig verteilt sein werden. Denn: Freihandel schafft Wohlstand, Handelshemmnisse verringern ihn.

An diesem jahrhundertealten ökonomischen Gesetz hat sich bis heute nichts geändert. Daher ist es nicht ratsam, auf Zölle eines Handelspartners mit Gegenzöllen zu reagieren. Durch den Verzicht auf Gegenmaßnahmen wird eine Abwärtsspirale des Wohlstands vermieden und die Unternehmen im betroffenen Land erhalten auch Anreize zur Steigerung ihrer Produktivität. Für den gegenwärtigen Handelsstreit zwischen den USA und der EU heißt dies, dass die USA durch die Handelshemmnisse in jedem Fall verlieren werden. Die EU jedoch nur, wenn sie auf die US-Zölle mit Gegenzöllen reagiert hätte.

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von und mit Flossbach von Storch

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