Hypotheken als Betrugsmasche: Insider-Einblicke in Chinas Immobilienkrise – Der Flossbach von Storch Podcast
Insbesondere bei Hypothekenkrediten kommen in China vermehrt Betrugsfälle ans Licht, die anfangs aus Verzweiflung passierten, nun aber gefährlicher werden, wie unsere Analystin Shenwei Li aus Shanghai berichtet.
Seit einiger Zeit kriselt der Immobilienmarkt in China. Entsprechend zurückhaltend entwickelt sich die Vergabe von Hypothekenkrediten. Der Zins liegt mit vier Prozent für bestehende Hypotheken in den meisten Fällen höher als die Zinsen für andere Kredite im privaten Bereich – so sind derzeit Konsumkredite ab drei Prozent zu haben. Während sich Neuinvestitionen rückläufig entwickeln, kommen manche, die bereits einen Kredit laufen haben, unter Druck. Doch eine Refinanzierung der Hypotheken ist vom Regulator verboten.
Liquidität wird angesichts der Makrolage derzeit von manchem verzweifelt gesucht – nicht nur im Immobilienbereich. Finanz-Mittelsleute haben sich nun eine Schwäche im System der Banken zunutze gemacht und eine neue Betrugsmasche entwickelt.
So vergeben Banken Hypothekenkredite in der Regel nicht basierend auf dem Transaktionspreis einer Immobilie, sondern auf einem internen Referenzpreis, der in Zeiten, in denen sich der Immobilienmarkt tendenziell nach oben bewegt, in der Regel tiefer ausfällt als der Transaktionspreis. Somit hilft der Referenzpreis in Boomphasen, das Risiko für das Finanzinstitut niedrig zu halten. Momentan fallen jedoch bei uns die Preise. Bei manchen Wohnungen passiert das so schnell, dass der interne Referenzpreis nicht in demselben Tempo angepasst werden kann.
Verkäufer von solchen „Schnäppchen-Wohnungen“ werden daher gerne von Finanz-Mittelsleuten angesprochen. Ihnen wird vorgeschlagen, zwei separate Verträge mit einem Käufer abzuschließen. Auf der inoffiziellen Version steht der abgestimmte echte Transaktionswert, während ein deutlich höherer Kaufpreis auf dem anderen offiziellen Vertrag steht. Der offizielle Kaufpreis ist somit höher als der echte Transaktionswert, sollte aber niedriger als der interne Referenzpreis der Bank sein.
Ein Beispiel aus den sozialen Medien zeigt, wieso: Ein Verkäufer wollte seine Wohnung für eine Million Renminbi veräußern. Das sind Stand Mitte August 2025 umgerechnet knapp 119.000 Euro. Der Kaufpreis im offiziellen Kaufvertrag lautete auf zwei Millionen Renminbi. 15 Prozent Eigenkapital waren mitzubringen. Dafür stellte die Bank bis zu 1,7 Millionen Renminbi Hypothekenkredit zur Verfügung. Der Verkäufer bekam am Ende die Million plus eine kleine Belohnung von den restlichen 0,7 Millionen Renminbi für seine Unterschrift unter den Doppelvertrag. Das verbleibende Geld wurde dann, wie in den meisten anderen Fällen, unter dem Käufer und dem Finanz-Mittelsmann aufgeteilt – je nach Vereinbarung.
Es gibt bei diesen Deals zwei Kategorien von Käufern. Die einen benötigen dringend Geld. Und da Hypotheken oft eine Laufzeit von 20 bis 30 Jahren haben, haben solche Immobilienkäufer einen großen Anreiz möglichst viel von der nicht zum Wohnungskauf nötigen Hypothek zu kassieren. Die andere Kategorie sind sogenannte „professionelle Kreditnehmer“. Sie geben ihre privaten Daten, zum Beispiel die Personalausweis-ID und ihre Handynummer, an einen Finanz-Mittelsmann und erhalten dafür einen Obolus. Der Mittelsmann gibt die gefälschten Unterlagen mit den gekauften Daten solcher angeblicher „professioneller Kreditnehmer“ an die Banken weiter und erhält meist reibungslos den gewünschten Hypothekenkredit. Davon kassiert er dann den Löwenanteil.
Im ersten Fall von all jenen, die vor allem Liquidität benötigen, ist die Zahlungswilligkeit und meist auch der -fähigkeit grundsätzlich vorhanden. Mit dem überschüssigen Geld aus dem Hypothekenkredit wird eine Art Überbrückungskredit zwar auf illegale Art und Weise erwirkt, aber in der Regel ordnungsgemäß bedient.
Im zweiten Fall jedoch haben Banken hingegen ein sehr hohes Ausfallrisiko, da der vom Finanz-Mittelsmann angegebene „professionelle Kreditnehmer“ in der Regel keine Tilgungswilligkeit zeigen wird und oft auch keine Zahlungsfähigkeit hat. Um den Betrug zu verdecken, stellt der Finanz-Mittelsmann oft für die ersten zwölf Monate noch Geld für die entsprechenden Raten zur Verfügung, da viele Banken nach Ablauf dieser Frist in der Regel die Hypothek als „normal“ klassifizieren.
Es sind vor allem solche Fälle, die besorgniserregend sind. Sie scheinen sich inzwischen nicht nur auf diejenigen zu beschränken, die ein bisschen Geld durch den Verkauf ihrer persönlichen Daten verdienen wollen, meist ohne die Konsequenzen zu kennen. Inzwischen wollen vermehrt junge Leute gezielt „professionelle Kreditnehmer“ werden, die wissen, dass ihr Verhalten Betrug ist und rechtliche Konsequenzen hat.
Ein 34-jähriger bekam laut Medienberichten mithilfe des Finanz-Mittelsmannes insgesamt 39 Millionen Renminbi von diversen Banken zusammen. Nach dem Aufteilen der Summe mit seinem Finanz-Mittelsmann blieben ihm sechs Millionen Renminbi übrig. Dafür wurde er zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Diejenigen, die nicht im Gefängnis landen, werden als „bonitätslos“ klassifiziert und auf die schwarze Liste des „Social Credit Systems“ aufgenommen; im Gegensatz zur in Deutschland bekannten Schufa ein viel umfassenderes Netzwerk aus Datenbanken, schwarzen Listen und Belohnungssystemen.
Manche nehmen diese Konsequenzen aber locker hin: Wenn man nichts zu verlieren hat, ist die Aufnahme auf schwarze Listen nicht erwähnenswert. Und aufgrund der Makrolage gibt es immer mehr verzweifelte Menschen mit hohen Schulden oder dringendem Liquiditätsbedarf. Der Finanz-Mittelsmann erscheint ihnen dann wie die Rettung. Gefälschte Unterlagen werden mithilfe von weiteren Partnern für die verzweifelten Kreditnehmer organisiert. Bezahlt wird am Ende mit dem Betrugskredit. Eine Zahlungswilligkeit oder -fähigkeit ist vom Anfang an nicht vorhanden und die Kreditnehmer sind auch auf die Aufnahme in Schwarze Listen vorbereitet.
Noch ist die Zahl der Betrugsfälle aber offenbar überschaubar und das Ausfallrisiko hat für viele Banken offensichtlich nicht die erste Priorität; möglichst viele Kredite zu vergeben, gilt als wichtiger. So kündigten jüngst die chinesische Notenbank PBOC und das Finanzministerium gemeinsam Zinssubventionen für Konsumkredite in Höhe von 100 Basispunkten für acht Bereiche an. Wir werden beobachten, wie stark die Nachfrage nach derart billigem Geld, das heißt ab etwa zwei Prozent Zins nach Subventionen, sein wird.