Stratege und Stratege – der Finanzpodcast von Flossbach von Storch
Philipp Vorndran: „Herzlich Willkommen zur dritten Folge von „Stratege und Stratege“. Gegenüber von mir sitzt Thomas Lehr.“
Thomas Lehr: „Und auf der anderen Seite des Mikrofons sitzt – wie immer – Philipp Vorndran.“
PV: „Heute wollen wir uns als Kapitalmarktstrategen mit zwei Themen beschäftigen, die sehr gut zum Jahresende passen – für viele ist ja der Dezember die Zeit des Jahres, um Bilanz zu ziehen und vielleicht auch zu überlegen, was die Zukunft bringen wird – auch bei der Geldanlage.“
TL: „Ja, Philipp, zum Ende des Jahres sprießen nicht nur die Jahresrückblicke und Prognosen wie die Pilze aus dem Boden, vermehrt sehen wir auch die Crash-Propheten in den Medien. Die reden gerne vom großen Crash oder gar vom vollständigen Kollaps des Finanzsystems, dem bevorstehenden „Endspiel“. Das klingt dramatisch, garantiert Schlagzeilen, Internet-Klicks und verunsichert die Anleger. Du bist der Frage nachgegangen, was eigentlich von diesen Crash-Prognosen zu halten ist – gerade, wenn man langfristig investieren möchte.“
PV: „Und Thomas, auch dein Thema passt gut zum Ende dieses Jahres, in dem es weltweit an den Börsen sehr gut gelaufen ist. Immer mehr Unternehmen aber kaufen an der Börse ihre eigenen Aktien zurück. In den USA ist das längst gängige Praxis und nicht wenige sprechen von ‚Kursmanipulation‘ – andere reden sogar ganz offen von „Betrug“. Zumindest aber scheint man sich einig, dass die Nachfrage, die durch diese Käufe ja gewissermaßen künstlich geschaffen wird, dass diese Nachfrage eine Erklärung für die imposante Rally am US-Aktienmarkt über die vergangenen Jahre ist. Wie siehst du das?“
TL: „Naja, ich muss zugeben – oberflächlich betrachtet klingt das ja auch irgendwie schlüssig, oder? Wir reden hier immerhin von mehreren hundert Milliarden USD pro Jahr und wenn Unternehmen für „mehrere hundert Milliarden USD pro Jahr“ eigene Aktien kaufen, dann liegt der Verdacht nahe, dass das einen Effekt auf deren Kurse hat.“
PV: „Das klingt aber nicht so, als ob du diese These teilst…“
TL: „Vollkommen richtig – die These teile ich nicht. Die kann man auch gar nicht teilen, weil sie auf einem ganz einfachen Denkfehler beruht. Stell‘ dir einfach mal vor, das wäre tatsächlich möglich. Stell dir vor, Unternehmen könnten mit dem Kauf der eigenen Aktie deren Kurs nach oben treiben … Unternehmen X kauft und kauft … und der Kurs der Aktie steigt und steigt. Das Unternehmen investiert erst einmal alle verfügbaren Barmittel in den Kauf der eigenen Aktien, dann verscherbelt es alles, was sich irgendwie zu Geld machen lässt und am Ende nimmt es sogar Kredite auf – alles, um die eigene Aktien zu kaufen, die daraufhin immer weiter steigt. Am Ende stünde da ein Unternehmen, vollkommen überschuldet und ohne jede Substanz, aber der Aktienkurs wäre auf einem Rekordhoch. Das klingt schon deutlich weniger schlüssig, oder?“
PV: „Das heißt, der Denkfehler liegt darin, dass bei der These ‚Aktienrückkäufe treiben die Kurse‘ völlig ausgeblendet wird, woher die Mittel für die Rückkäufe kommen und dass mit jedem einzelnen Kauf Unternehmenssubstanz ausgeschüttet wird bzw. ‚verloren geht‘…“
TL: „Ganz genau so ist das! Für jeden Euro, für jeden Dollar, den ein Unternehmen in den Kauf eigener Aktien steckt, muss es einen Euro oder einen Dollar der eigenen Substanz einsetzen. Im Ergebnis reduziert sich mit jedem Kauf eigener Aktien zwar die Zahl der Aktien. Die steigen dadurch aber nicht, weil sich mit jedem Kauf auch die Substanz des Unternehmens reduziert. Mit anderen Worten: am Ende verteilt sich ein kleineres Unternehmen auf weniger Aktien – was unter dem Strich dazu führt, dass sich am Kurs der Aktie nichts ändert.“
PV: „Klingt ein bisschen nach ‚linke Tasche – rechte Tasche‘. Versuch‘ doch bitte mal, Thomas, das anhand eines Beispiels deutlich zu machen!“
TL: „Kann ich machen, das wird aber etwas Zahlen lastig – deswegen aufgepasst oder im Notfall einfach Taschenrechner raus und noch mal zurückspulen: Nehmen wir mal an die Vorndran AG ist 1 Mio. Euro wert und in der Hand von 10.000 Aktionären, die alle eine Aktie im Wert von 100 Euro halten. Das Unternehmen macht im Laufe eines Jahres 50.000 Euro Gewinn, den es auf einem Cashkonto sammelt. Am Ende des Jahres ist das Unternehmen also nicht mehr 1 Mio. Euro, sondern 1 Mio. plus 50.000 Euro wert … und die Aktie steigt parallel natürlich ebenfalls um 5 Prozent auf 105 Euro. Nun entscheidet sich das Unternehmen, den Gewinn an die Aktionäre auszuschütten und hat dazu zwei Möglichkeiten.“
PV: „Dividende!!“
TL: „Genau – in Deutschland freuen sich die Aktionäre über eine schöne Dividende. Das Unternehmen nimmt also die 50.000 Euro, verteilt sie an die 10.000 Aktionäre – jeder erhält also 5 Euro. Das Cashkonto ist wieder leer, der Unternehmenswert sinkt zurück auf 1 Mio. und die Aktien fällt um den Dividendenabschlag auf 100 Euro. So kennt man das hierzulande.“
PV: „Und Variante zwei?“
TL: „Variante zwei ist der Aktienrückkauf. Das Unternehmen nimmt hierbei die 50.000 Euro und kauft einigen Aktionären ihre Aktien ab. Da eine Aktie 105 Euro kostet, kann das Unternehmen für 50.000 Euro 476 Aktien kaufen. Anschließend ist das Cashkonto leer, der Unternehmenswert sinkt von 1 Mio. und 50.000 auf 1 Mio., die sich nun auf nur noch 9.524 Aktionäre verteilt. Die anderen haben sich ja aus dem Investment verabschiedet und zu 105 Euro verkauft. Und jetzt teile mal 1 Mio. durch die 9.524 Aktionäre übrig gebliebenen Aktionäre…“
PV: „…1 Mio. geteilt durch 9.524 (rechnet)… macht 105.“
TL: „Genau. Die, die verkauft haben, haben 105 Euro erhalten und die, die sich gegen den Verkauf entschieden haben, halten ihre Aktien für 105 Euro weiter in der Hand und sind weiter investiert. Rein rechnerisch gilt: Nach dem Rückkauf verteilt sich ein Unternehmen, das um etwa 5 Prozent geschrumpft ist auf 5 Prozent weniger Aktionäre. Am Anteil eines jeden einzelnen Aktionärs hat sich also nicht geändert.“
PV: „Also weder Financial Engineering, noch Manipulation, und erst recht kein Betrug – sondern eine ganz simple Form der Ausschüttung.“
TL: „...und zwar eine, die sowohl für das Unternehmen als auch speziell für den Kleinaktionär sehr viel flexibler ist als die Ausschüttung einer Dividende. Die Dividende bekommst du als Kleinaktionär – ob du willst oder nicht. Und dann fragst du dich „was mache ich jetzt mit den Kleckerbeträgen“. Wieder anlegen ist oftmals gar nicht so einfach, weil teuer und dabei wäre es doch langfristig möglicherweise viel sinnvoller, mit dem wachsenden Betrag investiert zu bleiben. Dazu kommt, dass in einigen Ländern die Dividende viel höher besteuert wird als Kursgewinne. In den USA beispielsweise ist das so und deswegen ist die Ausschüttung über den Aktienrückkauf dort auch sehr viel populärer.“
PV: „Und das Unternehmen? Was hat das Unternehmen davon?“
TL: „Na, zum einem möchtest du deine Ausschüttung natürlich aktionärsfreundlich gestalten. Dazu kommt, dass eine Dividende meist sehr viel starrer ist als der Aktienrückkauf. Denk nur mal an die vielen Unternehmen, die über die Jahre eine Dividendenhistorie aufgebaut haben und sich nun bei niedrigeren Gewinnen nicht trauen, die Dividende zu kürzen – aus Angst davor, an der Börse abgestraft zu werden. Das ist übrigens ein Phänomen, das wir immer häufiger beobachten, das hierzulande aber weit weniger kritisch kommentiert wird. Der Deutsche liebt eben einfach satte Dividenden und er misstraut dem Aktienrückkauf. Es gilt einfach pauschal: Dividenden sind gut, Aktienrückkäufe sind böse (oder zumindest sehr negativ behaftet). Es wird eben gerne pauschalisiert – dabei kommt es auf den Einzelfall an. Schubladendenke bringt einen auch an der Börse nicht weiter.“
PV: „Und was spannend ist, Thomas: Der Vorwurf, die Unternehmen sollten das Geld, dass sie über Aktienrückkäufe an die Aktionäre ausschütten, besser ins eigene Geschäft investieren – der müsste für die vielen Milliarden, die deutsche Unternehmen in Form von Dividenden ausschütten, ja ganz genau so gelten.“
TL: „Über den Vorwurf muss man sich ohnehin wundern. Es gibt so viele Beispiele, für milliardenschwere Übernahmen, die wenig sinnvoll waren und es gibt so viele Beispiele für Investitionen, bei denen gutes Geld versenkt wurde. Wer das Management eines Unternehmens für unfähig hält, weil es Geld an die Aktionäre ausschüttet – ganz gleich ob über Dividende oder Aktienrückkauf – der sollte froh sein, dass das vermeintlich unfähige Management das Geld nicht in die Hand nimmt und für irgendwelche blödsinnigen Anschaffungen rausschleudert. Und konsequent ist der Vorwurf ohnehin nicht: Stell dir mal vor, es gäbe die tollen Investitionen, die das Unternehmen mit dem Geld viel besser hätte tätigen können als es in Dividenden oder Aktienrückkäufe zu stecken und stell dir mal vor, die vielen Milliarden wären in der Vergangenheit tatsächlich in eben diese Investitionen geflossen – dann würden die Kurse heute höher stehen und nicht tiefer. Der Vorwurf ist also noch nicht einmal zu Ende gedacht.“
PV: „Apropos ‚Pauschalisierung‘ – Schulden sind für den Deutschen immer ein Problem. Und wenn ein Unternehmen Aktien zurückkauft, statt mit dem Geld Schulden zu tilgen – oder wenn es für den Aktienrückkauf sogar Schulden aufnimmt, dann wird das Thema richtig suspekt. Ist das tatsächlich so, dass Unternehmen ihre Aktien zu einem großen Teil ‚auf Pump‘ zurückkaufen?“
TL: „Also eines Mal vorne weg – im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung oder Gewinnentwicklung ist die Verschuldung der Unternehmen in Europa in den vergangenen Jahren sehr viel deutlicher angestiegen als in den USA, wo sie erstaunlich stabil geblieben ist. Und das obwohl Aktienrückkäufe in den USA viel verbreiteter sind als in Europa. Da einen Zusammenhang herzustellen, ist schon deswegen sehr an den Haaren herbeigezogen. Aber auch hier gilt: nicht der Durchschnitt, nicht das Aggregat ist entscheidend. Man muss eben jeden Einzelfall anschauen und da gibt es natürlich eine Menge von Unternehmen, die über Jahre Aktien zurückgekauft haben und heute eine höhere Schuldenquote haben … so wie es übrigens Unternehmen gibt, die über Jahre stabile oder steigende Dividenden gezahlt haben und heute deutlich höher verschuldet sind.“
PV: „…aber selbst das kann ja einem Umfeld tiefer Zinsen sogar sinnvoll sein – auch wenn das für deutsche Ohren erst einmal schwer anzuhören ist…“
TL: „Absolut! Auch hier ein kleines Rechenbeispiel: Du hast dir vor Jahren mit deinen drei Brüdern in der Rhön ein Mehrfamilienhaus gekauft, dass ihr gemeinsam vermietet. Wert heute 1 Mio. Euro – den Mietertrag von 50.000 Euro teilt ihr gerecht unter euch vier auf. Wenn ihr nun einen Kredit aufnehmt, um einen von euch vier auszubezahlen, weil der beispielsweise einer seine Beteiligung zu Geld machen will, dann verteilt sich der Wert der Immobilie von 1 Mio. Euro abzüglich des Kredits von 250.000 Euro nur noch auf drei von euch. Am Anteilswert – wenn man das mal so bezeichnen will – ändert sich dadurch ebenso wenig wie bei einem Aktienrückkauf. Wieder gilt: weniger Substanz verteilt sich auf weniger Aktionäre, wenn du so willst. Die 50.000 Euro Mietertrag abzüglich der künftig anfallenden Kreditzinsen verteilt sich jetzt aber natürlich auch nur noch auf die verbliebenen drei. Der Gewinn je Aktien – wenn wir das mal so nennen wollen - ist also gestiegen.“
PV: „Vorausgesetzt, die Kreditzinsen sind niedrig! Bei höheren Zinsen hätte sich das nicht gelohnt. Und was die Schulden angeht: natürlich sind die in diesem Fall gestiegen, das Projekt ist aber immer noch solide finanziert. Der Bruder, der seinen Anteil ausbezahlt haben wollte, freut sich … die drei, die weiter investiert sind, freuen sich … eine klassische Win-Win-Situation.“
TL: „Ja, aber bevor jetzt der Einwand kommt, jetzt würden wir pauschalisieren – nur in die andere Richtung ‚Alle Aktienrückkäufe sind toll“‘. Nein! Die Entscheidung, Aktien zurückzukaufen, Dividenden auszuzahlen, das Geld in eine Übernahme oder in die organische Expansion des Geschäfts zu investieren, ist eine von vielen Entscheidungen, die ein Unternehmen treffen muss. Manche machen das besser, andere schlechter. Würdet ihr beispielsweise euren Bruder zu vollkommen überzogenen Kursen „rauskaufen“, nur um den jährlichen Mietertrag unter drei aufzuteilen … dann kann das sehr schnell ein schlechter Deal werden.
Deswegen gilt: Nicht jedes Unternehmen ist gut beraten, seine Dividende zu erhöhen oder überhaupt eine zu zahlen … und ebenso wenig ist pauschal jeder Aktienrückkauf sinnvoll … oder nicht sinnvoll. Fakt ist einfach: man kann mit Aktienrückkäufen keine Kurse nach oben treiben. Wer Dividende zahlt, wer Aktien zurückkauft, schüttet Geld aus und deswegen mindert jeder Kauf die Substanz, die sich anschließend aber auch auf weniger Aktien verteilt…“
TL: „Und das mit dem Einzelfall stimmt ja nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den Crash-prognosen, Philipp.“
PV: „Stimmt, als allererstes frage ich mich beim Durchlesen der Überschrift oder des Buchtitels immer, vor welchen Crash hier überhaupt gewarnt wird. Einem Crash der Aktienmärkte, der Finanz- und Währungssysteme, Deutschlands, Europas oder dem Untergang der gesamten Welt? Und, das finde ich immer am spannendsten, wie es nach dem jeweiligen Desaster weitergehen könnte. Denn, und dass sollte all unseren Hörern klar sein, solange die Welt nicht untergeht, gibt es ein danach. Und nach dem Endspiel ist vor dem Endspiel.“
TL: „Dann lass uns doch einfach mal mit dem großen Aktiencrash beginnen. Der ja, wie wir in den letzten Podcasts bereits ausgeführt hatten, statistisch nicht ganz so häufig ist, wie viele Deutsche meinen.“
PV: „Gerne! Du hast gerade sehr plastisch aufgezeigt, dass offensichtlich die Gewinne der börsennotierten Unternehmen weit weniger durch Aktienrückkäufe optimiert worden sind, als das in der Öffentlichkeit regelmäßig diskutiert wird, und dass sich das Verschuldungsniveau der Unternehmen in den letzten 20 Jahren trotz der tiefen Zinsen nicht deutlich erhöht hat. Das bedeutet doch nichts anderes, als, dass das heutige Gewinnniveau der Realität entspricht und damit der Durchschnitt der Unternehmen nicht weniger robust aufgestellt ist als vor 20 Jahren. Wenn das so richtig ist, dann starten wir heute also mit einer Gewinnrendite der großen globalen Unternehmen von 6 %.“
TL: „Exakt! Aber mindestens so wichtig ist doch, was die Zukunft bring, denn „fürs Gewesene gibt der Kaufmann nichts“
PV: „Klar! Deswegen haben wir auch versucht, zu berechnen, wie sich das Wirtschaftswachstum bis 2024 global entwickeln könnte. Hier gibt es ja viele Zweifler und Bedenken. Das Handelsblatt hatte ja erst unlängst geschrieben, dass das chinesische Bruttoinlandsprodukt so langsam wächst wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.“
TL: „Und was sagt uns das bezüglich der wirtschaftlichen Zukunft?“
PV: „Nicht allzu viel! China, das ist klar, ist die Wachstumsmaschine der Welt. Aber ist es nicht logisch, dass eine, den Kinderschuhen entwachsene, Volkswirtschaft über die Zeit sukzessive an Wachstumsdynamik einbüßt, aber im gleichen Atemzug die volkswirtschaftliche Basis für das Wachstum immer größer wird und deshalb ein Wachstum von 1 % heute einen deutlich größerer USD-Betrag generiert als das identische prozentuale Wachstum vor 5, 10 oder gar 20 Jahren. Und die Dollars, also das nominale Wachstum, die sind für die Umsatz- und Gewinnentwicklung der Unternehmen relevant. Das leuchtet doch ein, oder?“
TL: „Ja, aber wie viele Dollars mehr erwartest du denn in dann?“
PV: „Wir rechnen mit ‚nur‘ 7 % nominalem Wachstum – also das Wachstum inklusive Inflation. In US-Dollar bemessen durchaus beträchtlich. In fünf Jahren immerhin 5,7 Billionen USD, das sind 40 % mehr als heute. Gar nicht so schlecht.“
TL: „Allerdings … und wie stehts im Rest der Welt?“
PV: „Natürlich nicht so toll. Aber selbst bei moderaten Erwartungen dürfte es am Ende auch in den USA und der Eurozone ein paar mehr neue Dollars geben, ca. 5 Billionen US-Dollar um genau zu sein. Insgesamt elf Billionen US-Dollar Wachstum innerhalb von fünf Jahren. Auch wenn Europa und die USA in Summe weniger stark wachsen als China belegen die Prognosen für die drei Regionen eines ganz deutlich, eine nachhaltige globale Stagnation ist nicht wirklich wahrscheinlich. Entwarnung also auch von der volkswirtschaftlichen Seite. Und eines dürfen wir auch nicht vergessen, die globalen Aktien sind heute so teuer – oder billig – wie im Durchschnitt der letzten 30 Jahre. Fair bewertet, was man beileibe nicht von allen Anlageklassen behaupten kann.“
TL: „Und was, wenn der berühmte dicke Daumen mal wieder auf den falschen Knopf drückt…“
PV: „… oder in Kalifornien die Erde bebt? Einen ‚schwarzer Schwan‘ à la Fukushima kann natürlich niemand ausschließen und er kann täglich kommen. Das stimmt, aber in einer langfristig ausgerichteten Anlagestrategie darf ein solches Eventrisiko kein dauerhafter Hemmschuh sein. Dazu ein kleines Beispiel aus meiner Jugend: Während meines Geographiestudiums in den 1980er Jahren haben mich meine Professoren immer vor dem Super-Erdbeben in Kalifornien gewarnt – St. Andreas-Verwerfung, du weißt schon.“
TL: „Ich hab‘ ja keine Geographie studiert.“
PV: „Ich erkläre es dir ganz kurz: In den späten 1960er Jahren erkannten die Wissenschaftler, dass die San-Andreas-Verwerfung, die sich über gut 1300 km von Nord nach Süd durch Kalifornien zieht, die Grenze zweier Kontinentalplatten ist und Erdbeben dort deswegen unvermeidlich sind. Seit diesem Zeitpunkt stellt sich für die Menschen in der Region nicht mehr die Frage, ob, sondern wann es zum nächsten Mega-Erdbeben kommen wird. Und falls es käme, dann bricht natürlich im Silicon Valley alles zusammen. Und damit auch die Börsen.“
TL: „Oh Gott, oh Gott!“
PV: „Ja, das wäre eine menschliche und ökonomische Katastrophe. Nur, wenn ich deshalb seit Jahrzehnten dort nicht investiert hätte, … du weißt schon wie der Satz weiter geht… wäre das für die Kunden nicht sehr erfreulich gewesen, denn Silicon Valley steht immer noch.“
TL: „Vielleicht ändert sich das morgen…“
PV: „… möglich ist alles. Schwarze Schwäne kommen … und hinterlassen ihre Spuren, aber sie fliegen auch wieder davon. Wie Fukushima zeigt – zumindest an den Kapitalmärkten. Und anschließend dreht sich die Welt weiter.“
TL: „Da bin ich ja froh! Aber wir haben ja noch ein paar andere potenzielle Crash-Epizentren.“
PV: „Schönes Wortspiel, Thomas! Wo es fraglos wirklich klemmt, ist im europäischen Banken- und Finanzsystem. Crash-Überlegungen machen hier also prinzipiell absolut Sinn. Denn das Geschäftsmodell vieler Banken und auch einiger klassischer Lebensversicherungen ist so löchrig wie ein Schweizer Käse. Die Gefahr, dass die ohnehin nicht üppige Profitabilität weiter abschmilzt ist real. Hohe Kostenblöcke, neue aggressive Nischenplayer, täglich mehr Regulation, fallende Kreditvorsorge und ständige Strafzahlungen…“
TL: „… und jetzt auch noch die fallende Zinsmarge…“
PV: „… das ist ja der Killer schlecht hin. Das sieht alles andere als rosig aus, da haben die Kritiker absolut Recht. Und deshalb haben wir uns auch seit 2007 bei Bankaktien in unseren Fonds so sehr zurückgehalten…“
TL: „… zum Glück…“
PV: „… ja, zum Glück. Obwohl viele Kunden immer wieder gefragt haben, warum wir denn die vermeintlich billigen Banken nicht kauften. So billig waren sie dann wohl doch nicht. Alles nicht rosig! Aber machen Sie als Investor nie den Fehler, die Langlebigkeit von Systemen zu unterschätzen und außerdem stehen ja auch noch die Notenbanken bereit, um einzugreifen, wenn’s brennt. Dass sie die gleichen Fehler machen werden wie anno 2008/2009, als das Geldsystem auszutrocknen drohte, ist jedenfalls wenig wahrscheinlich…“
TL: „… und die Regierungen auch.“
PV: „Klar, wenn Fusionen und Kapitalerhöhungen nicht mehr reichen, dann wird zur Not verstaatlicht. Oder einer der europäischen Notfallfonds springt ein, von denen es ja inzwischen einige gibt. Alles nicht schön, alles nicht gut für das Vertrauen und die Kreditvergabe. Aber vielleicht sogar eine notwendige Bereinigung und Vorbereitung für eine neue digitale Bankenwelt. So gegen 2023 könnte eine solcher ‚Hallo-Wach!-Moment‘ auf uns zukommen. Aber vielleicht brauchen wir in einer digitalen Welt, mit Blockchain und neuen Zahlungs- und Kreditwelten viele der heutigen Strukturen gar nicht mehr.“
TL: „Der Crash also die längst überfällige strukturelle Anpassung?“
PV: „Ganz genau, längst überfällig, mit temporär extrem unangenehmen Nebenwirkungen, aber gleichsam auch ein Schritt in die unabwendbare Zukunft.
PV: Klar ist aber, dass auch in einem solchen Fall, dem Crash des heutigen Bankensystems, Realwerte wie Qualitätsunternehmen, Immobilien oder Gold einen besseren Schutz darstellen als nominale Anlagen. Auch wenn sie nicht ungeschoren davonkommen werden, am Ende werden sie sich wie ein Stehaufmännchen wieder aufrichten.“
TL: „Dann bleibt noch der Crash von Deutschland, Europa und dem Euro.“
PV: „Ja, genau und das macht mir die größten Gedanken. Nicht notwendigerweise was die Kapitalmärkte anbetrifft, sondern eher bezüglich Gesellschaft, Wettbewerbsfähigkeit, Rechtsstaat und Generationenthemen.
Ich glaube ein Zitat von KaiFu Lee, einer der ganz Großen im Bereich der künstlichen Intelligenz, der sowohl in den USA wie in China führende Positionen in Privatwirtschaft (Apple, Microsoft, Google) und Staat begleitete - er entwickelte z.B. die erste Spracherkennungssoftware - bringt das ganze Problem auf den Punkt. In eine Gewichtung der Stärken und Schwächen der USA und China bezüglich des Entwicklungsstandes rund um das Themenfeld künstliche Intelligenz, sagte er: ‚Ich habe Europa gar nicht erwähnt, weil ich nicht glaube, dass es irgendeine Chance auf die Bronzemedaille hat.‘
Das sagt so ziemlich alles bezüglich unserer Positionierung im Zukunftssegment Digitale Welt, die ja auch an Europas Börse kaum vorkommt. Der Mann veröffentlichte 2018 das Buch „Artificial Iintelligence Superpowers: China, Silicon Valley, und die neue Weltordnung – vielleicht etwas für das Christkind.“
TL: „Ich spreche mal mit ihm … also dem Christkind. Das Phänomen des Abgehängtseins sieht man ja auch an der relativen Performance unserer Aktienmärkte.“
PV: „Ganz genau. Und sicher hat das auch damit zu tun, dass in unserer Region inzwischen zu oft ideologische Reflexe über technische Analyse und marktwirtschaftliches Handeln gestellt wird. Natürlich müssen wir alles unternehmen, um den Klimawandel einzubremsen. Aber sollte dies nicht geprägt werden durch eine industrielle, von marktwirtschaftlichen Anreizsystemen getriebene Revolution hin zu mehr Ressourceneffizienz, einer Forcierung der Kreislaufökonomie oder einer noch stärkeren Fokussierung auf regenerative Energien. Eine Freisetzung von Kreativität, um unsere Stärken als Nation exzellenter Ingenieure voll auszuspielen. Und wir müssen uns auch fragen, wie wir Klima-Eile mit einem Umbau-Realismus der Industrie paaren. Zweifellos müssen wir auch wieder eine Fehler- und Irrtumskultur zurückgewinnen, denn nicht alles was in Eile beschlossen wird, muss sich ein paar Jahre später als richtig herausstellen. Dann muss man aber die Courage haben solche Fehler auch einzugestehen und abzustellen … und dafür müssen sie natürlich auch angesprochen werden dürfen. Fehler, wie sie sicher auch bei der Reihenfolge der Abschaltung von Energiekapazitäten im Zug der Energiewende vorgekommen sind. Oder eben auch bei der Konstruktion des Euro.“
TL: „Ist das in unserem politischen System wirklich realistisch?“
PV: „Ich hoffe doch! Denn schau, Thomas, was bewirken beispielsweise die tiefen Zinsen ökologisch? Sie führen doch definitiv nicht zu Ressourcen-Optimierung oder -schonung. Sie haben doch das ultimative Ziel die Wirtschaft und den Konsum anzukurbeln – also mehr Ressourcen zu verbrauchen. Solche scheinbaren Problemlösungen von heute, generieren die Probleme von morgen. Frei nach dem Motto, aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
PV: Wir müssen die Debatte wieder öffnen für Lösungsansätze der Ingenieure, unsere Lösungen müssen effizient und damit preisgünstig sein, vielleicht auch ein bisschen cool, dann setzt sie die ganze Welt um und wir erreichen die Umweltziele global. Über unsere Energiewende und die zweithöchsten Stromkosten der Welt lachen alle. Globale Nachahmer sind deshalb sehr rar.“
TL: „Das bedeutet, der Markt muss wieder mehr Bedeutung bekommen.“
PV: „Klar, denn eins ist doch logisch, ohne effektive Lösungen haben wir ein täglich größer werdendes CO2-Problem. Denn CO2-Ausstoß hängt primär von zwei Faktoren ab. Der Bevölkerungszahl und dem Lebensstandard auf der Welt. Und beides ist strukturell am Steigen.“
TL: „Und dann haben wir ja auch noch die Rentenlücke und die immer stärker steigenden Sozialausgaben.“
PV: „Ja, wir versuchen eben ständig eine Gerechtigkeitslücke nach der anderen zu schließen und verwechseln dabei allzu oft gerecht mit wünschenswert. Die Phantasie der Politik und der Lobbyisten ist hier schier grenzenlos. Man will halt Wahlen gewinnen. Und da es leider in der Politik kein System von Handeln und Haftung gibt, ist zu befürchten, dass das unser System langfristig an seine Grenzen führt.
PV: Die gesetzliche Rente kann nur durch immer höhere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt stabilisiert werden. Was in Zeiten ordentlicher Konjunktur möglich ist, wird in Schwächephasen zum Mühlstein. Unsere Kinder und Enkelkinder werden sich zu Recht bei uns bitterlich beschweren. Wie sagt Bert Flossbach immer so schön. Für das Thema der Generationengerechtigkeit, bräuchte es endlich eine Greta 2.0.“
TL: „Jetzt ist aber langsam genug mit dem Pessimismus, Philipp.“
PV: „Du merkst, das Thema treibt mich um, schon seit sicher 15 Jahren … und ich habe noch nicht von Bahn, Mobilfunknetz und Bildung, kurzum unserer Infrastruktur gesprochen. Das schenke ich mir, da es ohnehin alle wissen und täglich erleiden müssen. Oder von den großen Herausforderungen der zukünftigen Migrationsströme.
PV: Was aber wichtig ist, hier ist nicht so klar wie in den beiden anderen Crash-Varianten, das es nachher wieder quasi automatisch besser für uns Deutsche und Europäer wird. Wir müssen umdenken, neue Geschäftsmodelle entwickeln, alte Verhaltensweisen überdenken. Das wird nicht ganz einfach und ist definitiv nicht sicher.“
TL: „Welche Vorkehrungen kann man für Familie und Vermögen treffen?“
PV: „Als Familienvater versuche ich unseren Kindern die bestmögliche Bildung zu ermöglichen, damit sie für ihren zukünftigen Beruf international mobil agieren können. Natürlich versuche ich auch ein wenig die Wertvorstellungen des ehrbaren Kaufmanns zu vermitteln – vielleicht gelingt es mir zumindest ein wenig. Und bei der Geldanlage muss man einfach global agieren. Bei allen Anlageklassen und den Währungsinvestments. Und am Ende hilft uns allen dann vielleicht das Glück des Tüchtigen… aber dafür muss man eben auch tüchtig sein.“
TL: „Halten wir also kurz fest: Die Sorgen vor dem Crash, egal welcher Art, sollte die Menschen nicht vom sinnvollen Geldanlegen abhalten…“
PV: „… und so abstrus das für viele Deutsche auch klingen mag, das bedeutet primär erstklassige, globale Sachwerte.“
PV: „Damit sind wir am Ende der dritten Ausgabe unseres Podcasts. Wenn Ihnen der Podcast gefallen hat, empfehlen sie uns weiter und abonnieren Sie unseren Kanal. Weitere Informationen finden Sie auch in den Shownotes dieses Podcasts und auf unserer Internetseite flossbachvonstorch.de
PV: Wir hören uns im Januar wieder – machen Sie was draus.“
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